Gold ist für den „Ernstfall“   Flossbach von Storch

11.02.2020

Der Goldpreis ist seit Jahresanfang deutlich gestiegen - in US-Dollar, vor allem aber in Euro. Für den Anstieg gibt es durchaus Gründe; wobei sich niemand darüber freuen sollte.

Seit Jahresanfang ist der Goldpreis um rund 16 Prozent in US-Dollar und gut 22 Prozent in Euro gestiegen. Fast der gesamte Anstieg entfällt dabei auf die Sommermonate. Diese Entwicklung dürfte auch von Zuflüssen in Anlageprodukte getrieben worden sein. Im Juni beispielsweise legten die von ETFs gehaltenen Gold-Bestände um rund 100 Tonnen zu. Der zeitliche Zusammenhang zu den damaligen Äußerungen der Chefs der großen Notenbanken, Jerome Powell (US Fed) und Mario Draghi (EZB), lässt vermuten, dass diese als Signale der Notenbanken für eine langfristige Null- und Niedrigzinspolitik verstanden worden sind.

Niemand weiß, wie das Experiment ausgehen wird

Uns als Investoren ist eines besonders wichtig. Gold sollte kein Ersatz sein für rentable Anlagen in Produktivkapital, also Aktien. Gold ist eine Währung - die Währung der letzten Instanz. Eine Versicherung gegen ein nachhaltig schwindendes Vertrauen in unser Geldsystem.

Der Versicherungscharakter von Gold, auch das dokumentiert der jüngste Preisanstieg, rückt wieder in den Fokus der Investoren. Niemand weiß, wie das gewaltige Experiment der Notenbanken ausgehen wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die ultralockere Geldpolitik irgendwann zu einem Vertrauensverlust in unser Geld- und Finanzsystem führt.

Wer erwartet, dass die Inflation an der Kaufkraft seines Ersparten nagt, dass - im Extremfall - ganze Währungen untergehen, der verliert Vertrauen und greift zu Gold. So wie in den Jahren 2007 bis 2011, als das globale Finanzsystem zu kollabieren drohte, und die Eurozone ihre erste große Zerreißprobe überstehen musste. Damals kletterte der Goldpreis auf mehr als 1.900 US-Dollar je Feinunze. In den Folgejahren fiel er wieder deutlich zurück - aber was war passiert?

Ist das Finanzsystem sicherer geworden?

Die Sorgen vieler Investoren um den Zustand des Weltfinanzsystems waren der Überzeugung gewichen, dass Politik und Notenbanken das globale Bankensystem auf ein stabileres Fundament gestellt hätten. Die Renditen von Anleihen waren drastisch gefallen, der Aktienmarkt hatte kräftig zugelegt. Gute Aktien sind gewöhnlich der größte Konkurrent des Goldes. Sie sind, ähnlich dem Edelmetall, Sachwerte, werfen aber, anders als Gold, zusätzliche Erträge in Form von Dividenden ab. Ohne Frage, erstklassige Aktien sind im Niedrigzinsumfeld unverzichtbar für den Vermögensaufbau. Die Einschätzung, das Finanzsystem sei sicherer geworden, ist unseres Erachtens aber naiv gewesen.

In den vergangenen Monaten sind die Sorgen um den Zustand unseres Geldsystems wieder in den Fokus gerückt: Weltweit überbieten sich die Notenbanken darin, ihre Geldmengen auszuweiten, um viele Industriestaaten vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren und die Wirtschaft zu stimulieren, insbesondere in der Eurozone. Wir gehen davon aus, dass die jüngst angekündigten Maßnahmen von EZB und US Federal Reserve nicht die letzten dieser Art gewesen sind. Im Gegenteil. Wir gehen davon, dass die Geldpolitik locker bleibt, im Zweifel sogar noch lockerer wird. Christine Lagarde, die Nachfolgerin von Mario Draghi an der EZB-Spitze, hat bereits angedeutet, dass der Instrumentenkasten noch nicht ausgeschöpft sei.

Die Fliehkräfte sind gewaltig

Bei der Währungsgemeinschaft kommen hausgemachte Probleme hinzu. Die einzelnen Euro-Mitglieder, ihre Volkswirtschaften, sind viel zu heterogen, als dass eine Währung dauerhaft zu allen passen würde. Für die wirtschaftlich schwachen Staaten ist der Euro zu stark, für die starken ist er zu schwach. Will heißen, dass der Euro eher Schwachwährung denn Starkwährung ist. Mehr Lira als D-Mark. Dazu passt, dass der Goldpreis jüngst ein neues Allzeithoch markiert hat, zumindest zeitweise - und zwar in Euro.

Die Fliehkräfte, denen die Währungsgemeinschaft ausgesetzt ist, sind aufgrund der Konstruktionsfehler des Währungsverbundes gewaltig. Die Eurokrise ist zum Dauerzustand geworden - und ruft sich von Zeit zu Zeit in Erinnerung. Sei es durch eine neue, Euro-kritische Regierung in einem Mitgliedstaat oder zunehmende Budgetprobleme in einem anderen.

Gold gehört unseres Erachtens als fester Bestandteil in ein breit diversifiziertes Portfolio, das gilt insbesondere aus Sicht eines Euro-Investors. Gold ist wie eine Feuerversicherung, bei der man froh ist, sie abgeschlossen zu haben - und glücklich, sie nicht in Anspruch nehmen zu müssen.


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